„Offener Brief“ der Anwohner

OFFENER BRIEF AN:

– Die Oberbürgermeisterin der Stadt Frankfurt –

– Die Kandidaten der Oberbürgermeisterwahl –

– Alle teilnehmenden Institutionen der „Montagsrunde“ –

(monatlich tagendes Gremium zur Drogenproblematik Frankfurt bestehend aus Dezernat X (Umwelt, Gesundheit und Personal), Drogenreferat, Staatliches Schulamt, Amt für Gesundheit, Polizeipräsidium Frankfurt, Jugend- und Sozialamt, Ordnungsamt, Geschäftsstelle des Präventionsrates, Staatsanwaltschaft, Vertreter der Drogenhilfe)

Dieser Brief geht per Post & Mail an:

Oberbürgermeisterin Petra Roth, Oberbürgermeisterkandidat & derzeitiger Innenminister Boris Rhein, Oberbürgermeisterkandidat Peter Feldmann, Helmut Alexander Heuser (Vorsitzender CDU-Fraktion), Klaus Oesterling (Vorsitzender SPD-Fraktion), Manuel Stock (Vorsitzender Grünen-Fraktion), Stadtrat Markus Frank (als Vertreter des Ordnungsamtes), Stadträtin Dr. Manuela Rottmann (als Vertreterin des Dezernats X & des Amtes für Gesundheit & des Drogenreferates als koordinierende Institution der Drogenhilfe), Stadträtin Prof. Dr. Daniela Birkenfeld (als Vertreterin des Jugend- und Sozialamtes), Evanthia Triantafillidou (Ortsvorsteherin des Ortsbeirates 1, zustän- dig u.a. für den Bereich Bahnhofsviertel), Polizeipräsident Frankfurt Dr. Achim Thiel, Leitender Oberstaatsanwalt Frankfurt, Präventionsrat Frankfurt am Main

Dieser Brief geht zur Kenntnis an folgende Medien:

Frankfurter Rundschau, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Bild Frankfurt, Journal Frankfurt, Frankfurter Neue Presse, Hitradio FFH, Hessischer Rundfunk, RTL Hessen, Deutsche, Presseagentur dpa, dapd Nachrichtenagentur, Reuters

Absender dieses Briefes:

Zusammenschluss von Anwohnern des Frankfurter Bahnhofsviertels

Offener Brief März 2012

Betreff: Bedrohung der persönlichen Sicherheit im Frankfurter Bahnhofsviertel durch offenen Drogenhandel und -konsum und die daraus resultierenden Auswirkungen

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin Roth, sehr geehrter Herr Rhein, sehr geehrter Herr Feldmann, sehr geehrte Vertreter aller Gremien, die an der „Montagsrunde“ teilnehmen (siehe oben),

wir sind ein Zusammenschluss von Anwohnern des Frankfurter Bahnhofsviertels und wenden uns heute nicht nur mit der Bitte um die Beantwortung einiger Fragen, sondern auch mit einer Aufforderung an Sie.

Helfen Sie uns!

Viele von uns leben seit mehreren Jahren, teilweise seit über zehn Jahren im Bahnhofsviertel. Wir erleben die Entwicklung in diesem Viertel, die Veränderungen und die Menschen hier hautnah. Und seit Jahren leben wir hier in der Hoffnung auf eine Besserung von teilweise unerträglichen Zuständen. Der Punkt ist erreicht, an dem uns nicht nur diese Hoffnung verlassen hat, sondern an dem wir mit einer großen Angst erfüllt sind. Wir fühlen uns nicht mehr sicher in unserem Zuhause, in unserem Viertel. Unser Sicherheitsgefühl hat in den letzten Jahren nach und nach abgenommen. Es ist uns nicht mehr möglich, hier unbeschwert zu leben. Wir wenden uns mit der Aufforderung an Sie, uns als Bürger dieser Stadt zu helfen.

Das Frankfurter Bahnhofsviertel ist ein Rotlichtviertel. Das ist bekannt, das wissen wir. Das wussten wir auch, als wir hierher zogen. Einiges hat sich im Laufe der Jahre auch positiv verändert. Wir mögen dieses Viertel mit all seinen kulturellen Facetten, Geschäften und dem Nachtleben – mag es in diesem Bereich auch Handlungsbedarf geben (Stichwort: illegale Prostitution, Straßenstrich etc.). Aber das ist nicht Gegenstand dieses Offenen Briefes.

Wir als Anwohner leiden primär unter etwas anderem: dem unerträglich gewordenen Drogenkonsum im Frankfurter Bahnhofsviertel, dessen Auswüchse in den letzten Jahren für uns Anwohner das Maß alles Erträglichen überschritten haben. Wir erkennen hier keine Besserung, keine positive Entwicklung, und möchten Ihnen das mit drei exemplarischen Beispielen verdeutlichen.

Einer der hier Unterschreibenden wollte kürzlich in sein Wohnhaus in der Taunusstraße gehen (Nähe Drogenkonsumraum Elbestraße). Er schloss die Tür auf, fasste den Türgriff an und griff dabei in eine offene Spritzenkanüle, die dort offensichtlich positioniert wurde. Die Polizei wurde informiert, und er fuhr umgehend in die Notaufnahme. Ob dieser Vorfall gesundheitliche Folgen hat, ist derzeit noch nicht abschätzbar. Das müssen medizinische Untersuchungen in den kommenden Wochen zeigen.

Ein anderer der hier Unterschreibenden war auf dem Nachhauseweg in der Moselstraße (Nähe Drogenkonsumraum Moselstraße). Dort wurde er von einem unter Drogen stehenden Mann verfolgt, überfallen und geschlagen.

Eine der hier Unterschreibenden lief hochschwanger in der Taunusstraße, als sie von einer unter Drogeneinfluss stehenden und polizeibekannten Frau angepöbelt wurde, die ihr damitdrohte, sie in den Bauch zu treten. Die Situation konnte nur durch einen zu Hilfe kommenden Kioskbesitzer entschärft werden.

Dies sind nur drei Beispiele, die unseren Alltag hier exemplarisch darstellen sollen. Der Drogenkonsum auf der Straße wird noch nicht einmal ansatzweise verheimlicht. Menschen mit Spritzen in den Venen liegen in Hauseingängen, Crackpfeiffen liegen herum, Drogenabhängige torkeln unberechenbar auf der Straße. Mittendrin Drogendealer, die unverhohlen Passanten ansprechen und Drogen verkaufen, als WOLLTEN sie sogar dabei gesehen werden.

Das alles passiert auf offener Straße, ständig, vor allem in der Nähe der Drogenkonsumräume! Es ist der Normalzustand, der in den letzten Jahren nicht besser, sondern schlimmer geworden ist. Unsere Freunde hören auf, uns zu besuchen, wir gehen ungern auf die Straße, fühlen uns unsicher und bedroht.

Auch eine erhöhte Polizeipräsenz scheint nicht zu helfen. Während auf der einen Straßenseite ein Schuss gesetzt wird, läuft auf der anderen eine Polizeistreife vorbei. Wir fragen uns: Wie kann es sein, dass offener Drogenkonsum auf der Straße und die daraus resultierende Fremdgefährdung ungeahndet bleiben?

Wir als Anwohner leisten unseren Teil dazu, dieses Viertel lebenswerter zu machen. Nicht zuletzt durch die höchsten Straßenreinigungskosten Frankfurts, die wir als Mieter und Eigentümer zahlen, oder durch die Kosten für Drogenpolitik und Drogenkonsumräume (die jährlich in die Hunderttausende gehen), die wir als Steuerzahler mittragen. Wir leben hier, gestalten dieses Viertel und möchten es lebenswerter machen! Aber das können wir unter diesen Bedingungen nicht mehr.

Das Bahnhofsviertel als „Eingang zur Stadt“, als Viertel mit der weltweit höchsten Hoteldichte, als Durchgangsbereich aller Banker, Messebesucher und Reisenden und nicht zuletzt auch als wieder entstehendes Wohnviertel mit neuem Wohnraum schreckt die meisten Menschen nur noch ab. Die Drogenszene konzentriert sich hier ohne Einschränkung auf offener Straße. Es ist ein oft diskutiertes und bekanntes Problem, das gerade in den vergangen zwei Jahren immer wieder von Presse und Rundfunk thematisiert und aufgezeigt wurde.

Wir fragen uns: Wann werden wir endlich ernst genommen?

Wir sind der Ansicht:

Die als „Frankfurter Weg“ bekannte Drogenpolitik als Mischung aus Hilfe und Repression greift nicht ausreichend.

Wir wollen wissen:

Was ist das Ziel dieser Drogenpolitik und der Drogenkonsumräume im

Bahnhofsviertel?

Was bringen Drogenkonsumräume, wenn sich DAVOR die Drogenszene frei entfaltet und mit Drogen handelt und diese konsumiert; wenn Spritzen herausgegeben werden, die dann vor unseren Haustüren landen und unser Leben bedrohen.

Was ist Ihre Taktik, die Situation zu ändern? Was ist der lang angelegte Plan, das Ziel Ihrer Bemühungen?

Wann können wir hier wieder unbeschwert leben?

Wir fordern Sie auf:

Beantworten Sie unsere Fragen zu diesem Thema.

Ändern Sie die unerträgliche Situation und machen Sie das Bahnhofsviertel für die Anwohner sicher. Das Beispiel Hamburg zeigt, dass es geht.

Als gewählte Vertreter der Bürger und Verantwortliche der zuständigen Institutionen erinnern wir Sie an Ihre Pflicht: Helfen Sie uns!

Drogenabhängigen sollte geholfen werden! Das Problem darf nicht ignoriert, weggeschoben oder einfach in einen anderen Bereich verlagert werden. Eine nachhaltige und den Abhängigen helfende Drogenpolitik muss es geben.

ABER: Eine solche Politik muss allen helfen, auch den Anwohnern und Bürgern. Kostenlos herausgegebene Spritzen und Drogenkonsumräume mit einer Ballung von Dealern und Abhängigen, wie sie sich derzeit zeigen, mögen das Problem aus bestimmten Bereichen abziehen, verlagern es aber nur und bedrohen unser Leib und Leben. Der „Frankfurter Weg“ kann angesichts der jetzigen Situation keine ausreichende, keine funktionierende und somit auch keine annehmbare Lösung sein.

Wir, ein Zusammenschluss von Anwohnern des Frankfurter Bahnhofsviertels, fordern Sie auf, uns Lösungswege aufzuzeigen. Wir erwarten eine Reaktion auf unser Anliegen durch die hier angeschriebenen Volksvertreter bzw. die „Montagsrunde“.

Mit freundlichen Grüßen

Anwohner der Frankfurter Bahnhofsviertels & Unterstützer

(Der Offene Brief wurde von 84 Anwohnern & Unterstützern unterzeichnet. Die Unterschriftenliste geht an die Hauptadressaten OB Petra Roth, die OB-Kandidaten Peter Feldmann & Boris Rhein sowie an Dr. Manuela Rottmann (Gesundheitsdezernentin) als Vorsitzende der Montagsrunde)

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